Sommer 2005

Liebe Freunde,

Eine gute alte Freundin von mir ist gestorben. Obwohl sie eine alte Witwe war, steckte sie voller Überraschungen. Sie gehörte zu einer kleinen Stammesgemeinschaft und hatte einen Europäer geheiratet, der während der Kolonialzeit eine bedeutende Stellung in Kisumu hatte. Diese Frau hatte zwei Töchter – die später sogar zur Miss Kisumu gewählt wurden und auch Lektoren in unserer Gemeindekirche waren.

Es ging ihnen gut – obwohl diese Frau eine Muslim war, gönnte sie sich hin und wieder eine Erfrischung mit einem kühlen Bier. Das Klima Kisumus bedingt, dass man sich eine solche Erfrischung öfters gönnen sollte. Als ihr Seelsorger besuchte ich sie regelmäßig. Ihre englischen Sprachkenntnisse waren sehr beschränkt; manchmal ging unsere Unterhaltung nicht darüber hinaus, wie man sich am besten mit einem  kühlen Bier erfrischen könnte: „Hier ist etwas für deine Gesundheit“, oder „Prost“, „Laß uns noch eins trinken“ oder auch „Have one for the road – noch ein Bier für den Weg“. Wie auch immer – irgendwann entschied sie, sich taufen zu lassen. Sie war eine von zwei muslimischen Frauen, die ich in meinem Leben getauft habe – und zwar ohne jegliche Einflussnahme meinerseits. Sie wurde zu einer regelmäßigen Kirchgängerin, und wenn wir uns während einer Prozession sahen, winkten wir uns zu. Später wurde diese Frau sehr krank und musste häufig zum Arzt gebracht werden. Eines Tages – als ihre Kinder sie in das Auto setzten, um sie zum Arzt zu fahren, sagte sie: „Dies ist meine letzte Reise“. Als der Wagen an unserer Kirche vorbeifuhr, tat sie ihren letzten Atemzug; ich möchte mir gerne vorstellen, dass sie mir im Vorbeifahren ein letztes  Mal winkte.

Es war ihr ausdrücklicher Wunsch, neben ihrem vor mehr als 30 Jahren gestorbenen Ehemann begraben zu werden. Sein Grab war noch da, aber den Friedhof an sich gab es nicht mehr, weil die Stadtverwaltung Kisumus ein neues Friedhofsgebiet ausgewiesen und damit den alten Friedhof geschlossen hatte, ihn – um genau zu sein – allen zugänglich gemacht hatte, indem die Einfriedung des alten Friedhofs abgerissen wurde. Seitdem trieben sich Leute sich auf diesem alten Friedhofsgelände herum, um Mais zu pflanzen.

Die Stadtverwaltung verweigerte der Familie die Zustimmung, die Mutter neben dem Ehemann zu begraben – aber die Töchter dachten sich einen klugen Plan aus: Sie brachten das Oberhaupt der örtlichen Hindugemeinde dazu, die sterblichen Überreste der Mutter im Krematorium der Hindus zu verbrennen. Danach wollten sie die Asche der Mutter aufsammeln, ein Loch in das Grab des Vaters graben und dort die Asche der Mutter begraben. Aber am Abend vor dem Begräbnis gab die Stadtverwaltung doch noch nach und erlaubte die Beisetzung der Mutter in einem neuen Grab. Es war eine schöne Begräbniszeremonie – mit all den Frauen, die Feuerholz sammelten und den vielen Kindern, die dort – andächtig kniend – spielten. Ich gab meiner alten Freundin noch  einen ordentlichen Spritzer Weihwasser zusätzlich mit auf den Weg  –  „one for the road“!

Als wir gingen, war das Grab ein farbenprächtiger Hügel aus Blumen. Für einige Tage engagierten die Töchter einen Grabwächter – weniger wegen der vielen Blumen, sondern mehr wegen des Sarges. Oft kommen Grabräuber in der Nacht nach der Beerdigung und öffnen das Grab wieder. Sie öffnen den Sarg, werfen den Leichnam einfach in die Graböffnung, nehmen den nagelneuen Sarg, putzen ihn schön mit Fichtengrün heraus und verkaufen ihn wieder.

Es gibt noch mehr Neuigkeiten: Einige Tage nach dieser Beerdigung, spürte ich entsetzliche Schmerzen in der Leistengegend – dort, wo man mir im Jahr 1991 meine erste künstliche Hüfte eingesetzt hatte. Die Ärzte hier in Kisumu sagten, dass wohl etwas gebrochen sei und eine sofortige Operation erforderlich ist. Man brachte mich ins Flugzeug – einer, der es gut mir meint, gab mir sogar ein Ticket für die Erste Klasse – und man brachte mich in das Sanatorium nach Oosterbeek/Holland. Der orthopädische Chirurg ließ mich röntgen und stellte fest, dass nichts gebrochen war. Nun macht man hier ausführliche Tests mit mir, um fest zu stellen, was diese Schmerzen verursacht haben könnte. Die Schmerzen lassen etwas nach, wenn ich auf Krücken gehe. Alles in allem, ist das aber auch ein Fingerzeig Gottes: Auf diese Weise habe ich die Möglichkeit, viele meiner Freunde wieder zu treffen, die ich lange vernachlässigt habe. Wer auch immer sich von mir vernachlässigt fühlt, kann mich hier in Holland unter 026 33 98 243 oder 06 3029 8613 anrufen oder mich unter
meiner derzeitigen Adresse in Johannahoeve 2, 6861 WJ Oosterbeek / Holland erreichen. Ich werde dann sehen, was ich tun kann.

Viele Grüße und ganz herzlichen Dank an Euch alle für Eure beständige Hilfe und Unterstützung bei der Entwicklung Pandipieris.

Hans Burgmann

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