Ostern 2011

HANS SCHREIBT AN SEINE FREUNDE

Liebe Freunde,

Trotz der Probleme in der kürzeren Vergangenheit entwickelt sich Pandipier sehr gut – es wird hier großartige Arbeit geleistet, was nicht heißt, dass uns diese Probleme nicht Tag und Nacht beschäftigen. Auf der einen Seite ist ihre Ursache im globalen finanziellen Umfeld zu suchen; dadurch verteuert sich vieles und das Spendenaufkommen verringert sich. Auf der anderen Seite kämpfen wir noch mit Auswirkungen der Fehler der vorherigen Verwaltung Pandipieris; diese Fehler haben Pandipieri in eine tiefe finanzielle Krise gestürzt. Mit einer nahezu übermenschlichen Anstrengung hält Sr. Bernadette – eine Mill Hill Schwester aus Irland – alles hier am Laufen. Das ist eine beachtliche Leistung in einem Land, in dem nahezu alles aus den Fugen gerät. Sr. Bernadette kann auf die große Unterstützung ihrer Gemeinde hier zählen; viele Gemeindemitglieder helfen dabei, Pandipieri wieder nach vorne zu bringen. Mache Mitarbeiter sind sogar bereit, für eine Weile ohne Lohn zu arbeiten. Wo um alles in der Welt gibt es das sonst noch? Ich möchte auch noch das „Notkommittee“ unserer Freunde aus Holland erwähnen, die alles Erdenkliche tun, um die Strukturen Pandipieris zu bessern und weniger anfällig zu gestalten – die Arbeit daran geht weiter.

Die Arbeit in der „Girls Domestic School“ (Haushaltsschule für die Mädchen) geht unvermindert weiter. Als wir noch vor 10 Jahren die Entwicklung unserer Programme kritsch betrachteten, regten Berater an, als neuen offizellen Namen “ Vocational Training“ (Berufliche Ausbildung); aber das Pandipieriteam mochte diesen Namen nicht. Ursprünglich begann Sr. Ruth mit einem Kurs für Mädchen, die aus finanziellen Gründen nicht zur Schule gehen konnten; in diesem Kurs konnten die Mädchen ihre eigene Persönlichkeit entwickeln und stärken. Der Lehrplan bestand damals aus allen Fächern, in denen die Mädchen gerne unterrichtet werden wollten. Heute aber leben wir in einer Zeit, in der wirtschaftlichen Aspekte zur Religion geworden sind. Als die Schule im vergangenen Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feierte, sagte der Erzbischof zu den Schulabgängern: „Willkommen auf dem Arbeitsmarkt“. – Persönliche Entwicklung ? Was ist das denn …………. ?

Wir müssen zugeben, dass die Vorstellungen unserer Berater aus Nairobi auch ihre Vorteile haben. Das zeigte sich im letzten Jahr, als die „Girls Domestic School“ (wir lieben diesen Namen) Unterstützung durch die Regierung erhielten, weil es sich dabei um eine berufliche Ausbildung handelte. Es gibt ein Programm der Regierung, nachdem jeder Schüler mit jährlich 15.000 ken. Schillingen (ca. Euro 150,00) unterstützt wird. Das ist eine enorme Hilfe! Als im Februar die Zeugnisse ausgehändigt wurden (darüber schreibt Sr. Bernadette einen eigenen Artikel), sicherte ein Regierungsvertreter diese Unterstützung zu, solange die Schule bestimmte Bedingungen erfüllt. Unsere Gebäude sind in einem hervorragenden Zustand; auch in Nyalenda gibt es ein neues Gebäude, das wir mit Hilfe der Spender aus Holland errichten konnten. Dieses Gebäude ist für uns sehr wichtig und dient uns auch als Gemeinschaftshaus. Allerdings fühlte sich das Management nach diesem Erfolg – offensichtlich von einem gefährlichen Optimismus – soweit inspiriert, dass man der Meinung war, in Magadi ein ähnliches Gebäude errichten zu können – und zwar ohne jegliche finanzielle Absicherung – da war wohl mehr der Wunsch Vater des Gedankens. Eine solche Denkweise ist hier ganz normal. (Letzte Woche sprach ich mit meinem Freund Paul und sagte: „Nun hast Du schon das ganze Geld in dieses neue Gebäude investiert und es ist noch lange nicht fertig – wie willst Du das jetzt fertig stellen ?“ Die Antwort: „Wir werden sehen“. Ich sprach mit einer weiteren Freundin – Fr. Damaris: „Wenn Du es schaffst, Geld für die Schulausbildung der Kinder zu bekommen – hast Du auch eine Idee, woher das Geld für die Zeit danach herkommen soll?“ Antwort: „Wir werden sehen.“) Auf diese Weise wurde das neue Gebäude in Magadi so eine Art „Schwarzes Loch“, in dem schon viel Geld einfach verschwunden ist.

Das OMA Projekt floriert. 300 Familien, die AIDS-Waisen adoptiert haben, haben wir bereits auf unserer Liste. Wir versorgen diese Familien mit einer Krankenhausversicherung für die ganze Familie und die Waisen werden in der Pandipieri-Klinik kostenlos behandelt. Fünf kleine private Krankenhäuser haben sich diesem Programm bereits angeschlossen – sie haben sich verpflichtet, nur Kosten in Rechnung zu stellen, die auch durch die Krankenversicherung abgedeckt sind. Es gibt noch die beiden Regierungskrankenhäuser; allerdings sind die Bedingungen dort so schlecht, dass niemand freiwillig in diese Hospitäler gehen will. Die Regierung betrachtet uns wohl als Pilotprojekt, denn sie haben uns die Erlaubnis erteilt, auch nicht verwandte Kinder in das Projekt aufzunehmen und man hat uns versichert, dass die Kinder künftig kostenlos behandelt werden sollen. Das wäre eine große Hilfe.

Kürzlich hatten wir eine Feier mit den Verantwortlichen – auch die Ärzte, das Pflegepersonal und einige Leistungsempfänger waren anwesend. Alle waren sehr enthusiastisch. Die Ärzte baten uns, die Anspruchsberechtigen zu ermuntern, eher ein Krankenhaus aufzusuchen und nicht damit zu warten, bis die Krankheit hoffnungslos ist; sie fragten auch, ob wir nicht eine Möglichkeit haben Operationsbesteck (evtl. aus 2. Hand) zu besorgen. Das große Problem des OMA-Projektes besteht darin, neue Spender in Europa zu finden. Einige der früheren Spender haben sich entschieden, nach einigen Jahren nun auch einmal andere Projekte zu unterstützen. Wir bitten Euch also um Eure Hilfe bei der Suche nach neuen Spendern, die bereit sind, die Versicherung einer Familie zu übernehmen. Die Kosten hierfür belaufen sich auf Euro 50,00 / Familie / Jahr.

Die Kunstschule mit ihrem 3-Jahreskursen ist nach wie vor eine Quelle des Stolzes für uns. In 25 Jahren haben wir 150 Künstler ausgebildet. Unser Zertifikat ist privater Natur, hat aber in Schulen, die Kunsterzieher suchen, einen exzellenten Namen. Wir möchten erwähnen, dass Absolventen einer öffentlichen Schule ein ebenso schönes Diplom und theoretische Kenntnisse aufweisen können, aber in der Praxis können sie nur wenig vorweisen. Besucher unserer Schule hingegen gehen oft erst, nachdem sie ein schönes Bild oder eine Skulptur bei uns gekauft haben. Einer der Besucher hat sogar versprochen, Dan’s Monatsgehalt zu übernehmen – Dan ist der Direktor der Kunstschule. Ich selbst unterrichte jeden Freitag ca. 14 Schüler im Modellzeichnen. Oft lade ich Besucher ein, uns Modell zu stehen – sie können dann in ihrem Lebenslauf schreiben „Modell der Nyalenda Kunstakademie in Kisumu. Viele alte Freunde besuchen uns. Jan Laarakker kam – und als er nach so vielen Jahren Pandipieri wiedersah, rief er: „Jetzt weiß ich, wo all‘ das Geld geblieben ist: so viele große und schöne Gebäude!“. Er war dem Kern der Sache damit näher, als viele Leute denken – aber das ist oft so mit Jan.

Die politische Situation hier ist bedauerlich und zugleich beängstigend; wir sorgen uns um die Wahlen im kommenden Jahr, denn wir haben noch immer nicht die Rückschläge nach der letzten Wahlen überwunden. Das ICC (Internationaler Gerichtshof) in Den Haag bat sechs prominente Politiker um Stellungnahme zu den Massakern. Man hatte aber den Eindruck, dass die Politiker sich nur gegenseitig schützen. Und dafür werden Millionen Euro ausgegeben, während auf der anderen Seite für viele der Opfer, die noch heute in Zelten leben, kein Geld da ist. Die sechs Politiker – einigen von ihnen kandidieren für das Amt des Präsidenten – werden von den Anhängern ihres Stammes aufgehetzt und verweisen darauf, dass solche ernste Anschuldigungen nur zu weiteren ernsten ethnischen Unruhen führen könnten. Das hat fast schon erpresserischen Charakter.

Hinzu kommt, dass die Korruption so schlimm ist wie nie zuvor und die Regierung heizt dieses Feuer an. Unsere Parlamentarier gehören zu den höchstbezahlten Politikern der Welt, weigern sich aber Steuern zu zahlen. Sie weigern sich auch, Auskunft darüber zu geben, woher ihr Reichtum kommt. Die letzte Entwicklung ist, dass sie sogar Einkommensentschädigungen in Millionenhöhe für die Zeit des Wahlkampfes fordern. Kurios ist, dass die Menschen hier das akzeptieren. Oft denke ich, dass viele Menschen tief in ihrem Herzen neidisch auf diese Potentaten sind und davon träumen, selbst einmal in dieser glücklichen Lage zu sein. Sie verschließen mit einem Achselzucken die Augen vor dem Problem – nach dem Motto: alles wird gut. Ich selbst wäre nicht überrascht, wenn wir eines Tages im nächsten Jahr von einem Tsunami der Gewalt überschwemmt werden.

Erinnert Ihr Euch noch an Millimoly – die behinderte Studentin, die vor einigen Jahren mit mir in Holland war? Im letzten Monat hat sie erfolgreich ihr Studium abgeschlossen und sucht nun Arbeit als Chemielehrerin in einer Realschule.

Was mich angeht – ich lerne mehr und mehr von diesen kleinen Pillen zu schlucken und habe immer weniger Energie. Ich habe meinen Flug nach Holland für Juli gebucht und hoffe, viele von Euch persönlich zu treffen. Vor nicht allzu langer Zeit erhielt ich die Nachricht, dass einer meiner Freunde aus Kindertagen – Paul Schneider – gestorben ist. Er besuchte regelmäßig unser jährliches Treffen in Holland – ein großer Mann mit Bart. Einige Monate vor seinem Tod besuchte ich ihn und seine Frau Jose in Ulvehout – es war ein Fest der Erinnerungen. Wir erinnerten uns an die beiden Bomben, die in seinen Garten fielen, ohne zu explodieren. Nach dem Krieg sammelte die Armee eine davon auf und entschärfte sie auf der Veranda – direkt neben seiner Mutter, die gerade Socken strickte. Die zweite Bombe betonierten sie ein und schrieben das Wort BOMBE auf den Betonpanzer; einige Jahre später wurde auch diese Bombe abgeholt – dafür musste die halbe Stadt Hengelo evakuiert werden. „Mach’s gut, lieber Paul. Es ist schon so: manchmal müssen bestimmte Dinge zu Ende gebracht werden.

Liebe Freunde, vielen Dank für Eure Hilfe ! Macht weiter, denn wir brauchen Euch so dringend wie nie. Und glaubt mir: die Früchte aus Eurer Unterstützung sind groß und bestehen fort. Im Namen Eurer Freunde hier wünsche ich Euch allen

 

Frohe Ostern

Hans

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