Sommer 2008

Liebe Freunde,

Die meisten von Euch werden schon gehört haben, dass unser florierendes Projekt „Pandigraphics“ durch ein Feuer komplett zerstört wurde. Lasst mich Euch erklären, wo genau Pandigraphics liegt: Das Pandipieri Centre liegt an der Umgehungsstraße von Nyalenda. Ein lang gezogenes Gebäude dort beherbergt die Räume für das Gesundheitsprogramm, einige Büros, einen Raum für medizinische Beratung, ein Beratungsstelle für Ernährung, die Nähschule, Gästezimmer und – ganz hinten am Ende des Gebäudekomplexes – Pandigraphics.

Auf der Rückseite des Gebäudes hatten Leute aus der Nachbarschaft mehrere Verkaufsbuden gebaut; eine dieser Buden ging mitten in der Nacht in Feuer auf – vermutlich aufgrund eines Defekts in den elektrischen Leitungen, der absichtlich herbeigeführt wurde, um den Brand zu legen – das ist hier nicht unüblich. Die Flammen griffen auf das Dach von Pandigraphics über; in dem Raum waren ca. 20 Computer und weitere elektronische Anlagen untergebracht. Unser Wachmann schlug Alarm und von allen Seiten kamen Nachbarn, um uns zu helfen. Weil es in Pandigraphics teure Anlagen gab, war der Raum mit einbruchsicheren Stahltüren gesichert. Das wurde uns jetzt zum Verhängnis: niemand konnte die Türen öffnen und die Geräte in Sicherheit bringen. Als man endlich den Mann gefunden hatte, der die Schlüssel zu den Türen hatte, waren diese mittlerweile so heiß geworden, dass man sie nicht mehr öffnen konnte. Alarmiert durch unsere Wachmänner erschienen Feuerwehr und die Polizei; sie konnten wenigstens den Rest des Gebäudes retten. In einer Welle der Hilfsbereitschaft räumte ein Heer von Helfern alle Räume und lud alles draußen vor dem Gebäude ab – am nächsten Morgen hatten wir ein riesiges Chaos.

Meine erste Frage war natürlich: war irgendetwas davon versichert? Nein – natürlich nicht! Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir vor fünf Jahren bei verschiedenen Versicherungsgesellschaften um Angebote gebeten hatten. Das Problem hier ist, dass die Versicherungsgesellschaften nicht gerade wild darauf sind, etwas zu versichern, das sich in der Nähe der Slums von Pandipieri und Nyalenda befindet. Sie verlangen hohe Prämien, die jeder Logik widersprechen. Man sagte mir aber, dass das Pandipieri Management gerade dabei war, eine entsprechende Versicherung abzuschließen, und dass auch das dafür nötige Geld einige Wochen zuvor von einem Spender zur Verfügung gestellt worden war. Das Feuer kam einfach zu früh (Ich konnte das kaum glauben!).

Die schwere, einbruchsichere Stahltür war im Zusammenhang mit der Einbruch-/Diebstahlversicherung eingebaut worden; jetzt bei dem Feuer hatte diese Tür einen gegenteiligen Effekt. In einer anschließenden Diskussion des Gemeinderates haben einige Leute eine ganz offensichtliche Maßnahme vorgeschlagen: wir bauen einbruchsichere Stahltüren ein und hängen den Schlüssel direkt neben die Tür, damit er für jeden zugänglich ist, wenn ein Feuer ausbrechen sollte. Das ist natürlich nicht ganz ernst gemeint.

In diesem Zusammenhang noch eine faszinierende Geschichte: Vor zwei Jahren raubte ein Gruppe bewaffneter Räuber die Pandipieri Bank am hellen Tag aus. Die Reaktion des Managements darauf war eine Anweisung an die Wachmänner, Leute, die das Gelände betreten wollen, strenger zu kontrollieren. In der Nacht des Feuers wirkte sich das dann so aus, dass die Menschen von den Verkaufsbuden mit Eimern gerannt kamen und um Erlaubnis bitten mussten, damit sie Löschwasser von unserer Pumpe holen konnten. Der Wachmann verweigerte ihnen den Zutritt, weil er dachte, sie seien Räuber. Hätte er diesen Leuten erlaubt, das Gelände zu betreten, hätten sie das Feuer vermutlich löschen können, bevor es auf Pandigraphics übergegriffen hätte. Dies lehrt uns, dass auch Sicherheitsmaßnahmen sehr gefährlich sein können.

Zurzeit sind drei Seminaristen hier bei uns, um Erfahrungen auf pastoraler Ebene zu sammeln. Einer davon ist Kenianer und kommt aus unserer Diözese, die beiden anderen sind Mill Hill -Studenten – einer aus Indien und der andere aus Kamerun. Diese beide schlafen in unseren Gästeräumen in Pandipieri nahe bei Pandigraphics. In der Brandnacht wachten sie durch die Flammen auf, die unter ihren Fenstern wüteten – es war ihre zweite Nacht in Pandipieri.

Hatten wir noch Glück in all dem Unglück? Auf jeden Fall ! Leicht hätte das ganze Pandipieri-Gebäude abbrennen können: drei Besucherzimmer, zwei Räume für die Nähschule, zwei Zimmer für medizinische Beratung und fünf Verwaltungsräume. Ein weiteres Glück war es, dass Michael Maunda, der Leiter von Pandigdraphics, es schaffte, seinen großen Computer zu retten. Fast alle wichtigen Dateien sind auf diesem PC gesichert. Und das größte Glück: es wurde niemand verletzt. Es war ein kleines – vielleicht sogar ein großes – Wunder, dass das ganze Gelände von Helfern aus der Nachbarschaft nahezu wimmelte – alle wollten uns helfen, soviel wie möglich in „ihrem“ Pandipieri Centre zu retten; in solchen Momenten ist es durchaus normal, dass vieles auch gestohlen wird; aber unsere Helfer stahlen nichts – nur einige neue Fußballtrikots verschwanden. Alles in allem beläuft sich der Schaden auf ca. 4,5 Mio. kenianische Schilling – das entspricht ca. Euro 45.000,00.

Es ist nicht nur der finanzielle Verlust, der weh tut. Es war wirklich hart mit anzusehen, wie ein schönes und viel versprechendes Unternehmen in Flammen aufgeht. Wir wollten Pandigraphics vergrößern und in eine Gesellschaft umwandeln. Einen Tag nach dem Brand zog Michael mit seinem Computer auf ein freies Plätzchen im Kindergarten und nahm seine Arbeit wieder auf. Zwischenzeitlich hatten sich viele Freunde bei uns gemeldet und uns Mut gemacht.

Was gibt es sonst noch zu sagen? Vor einigen Jahren konnten wir ein schönes Gebäude für unsere Straßenkinderprogramme bauen – dank der Hilfsbereitschaft von vielen Spendern. Dann forderten uns diese Spender auf, unsere Hilfe nicht nur auf Jungen zu beschränken, sondern auch Mädchen in die Programme aufzunehmen.

Wir versuchten zu erklären, dass es so gut wie keine Mädchen unter den Straßenkindern von Kisumu gibt, aber man glaubte uns das nicht. Wir konnten ahnten, dass sie dachten: „Wenn es bei Euch keine Mädchen gibt, dann seht zu, dass sich das ändert.“

Wir hatten Angst, die Spender zu verärgern und nahmen deshalb einige Mädchen im Gebäude bei unseren Straßenkindern auf. In weniger als nichts entwickelte sich die Situation zu einem Tollhaus: Kämpfe und versuchte Raubüberfälle waren an der Tagesordnung. Wir siedelten die Jungen daraufhin in das Nyalenda Centre um und reservierten das neue Gebäude in Pandipieri für Mädchen. Das Resultat dieser Geschichte ist, dass in dem großen neuen Gebäude in Pandiperi zurzeit gerade einmal sieben Mädchen leben, während das Nyalenda-Centre völlig überfüllt ist. Soweit kann es kommen, wenn das Management sich davor fürchtet, die Unterstützung durch Spender zu verlieren.

Seit kurzem weht ein neuer Wind durch KUAP (Kisumuo Urban Apostolate Programme). In den vergangenen Jahren wurde viel rationalisiert und professioneller gearbeitet, sodass die Verbindung zur Gemeinde und die Bindung an das Evangelium ernsthaft aufgeweicht wurden. Die KUAP-Leitung ist sich dieser Tatsache bewusst und organisierte eine Klausurtagung (1 Woche) in Eldoret, um zu sehen, wie man damit umgehen und das Blatt noch wenden kann. Langsam aber sicher kehrt nun der alte „Geist Pandipieris“ zurück und mit ihm auch das enthusiastische Engagement von Gabriel, dem KUAP-Manager. Es geht uns wieder gut. Wann immer ich in den letzten Monaten Pandipieri besuchte, kehrte ich mit einem tiefen Gefühl der Zufriedenheit zurück: Der Ort gleicht einem großen Bienenstock. Ich glaube, dass das Managment sehr gut arbeitet. Ende Juni hatten wir unser jährliches Treffen; es fand in den schönen Räumen der Haushaltsschule in Nyalenda statt. Mehr als 130 Teilnehmer aus ganz Kisumu waren da – KUAP ist zu einem bedeutenden Bestandteil dieser Stadt herangewachsen.

Soweit es mich betrifft, bin ich jetzt dabei umzuziehen und packe traurig meine Habseligkeiten. Am Sonntag, 13. Juli werde ich nach Nairobi in eine kleine Mietwohnung ziehen. Abschiedsworte klingen in meinen Ohren: große wie die von der gemeinsamen Feier mit der Gemeinde am 6. Juli und der Abschied von KUAP am Freitag, 7. 11. aber auch kleine Abschiedsworte von der Gemeindebasis. Es waren traurige – aber auch ermutigende – Feiern; denn sie zeigten, wie viel wir erreicht haben.

Ich werde auch in Zukunft versuchen, Kisumu einmal im Monat zu besuchen; auch bin ich weiterhin Mitglied im KUAP -Aufsichtsrat und werde permanent per e-mail mit Pandipieri in Kontakt bleiben. Ich bin traurig, denn ich werde Kisumu vermissen; nicht nur Pandipieri- die ganze Gemeinschaft dort wird mir fehlen: die glücklichen Feiern, die jungen, tanzenden Mädchen mit den ernsten Gesichtern und ihre anmutige Art, sich zu bewegen. Ich höre, dass hohe kirchliche Würdenträger aus Rom, die zu Besuch in Kenia sind, skeptisch sind, ob das alles nicht schon zu fröhlich ist, und ob die Menschen hier nicht nur zur Kirche gehen, um die schönen Tänze zu sehen. Mag sein – aber mit dem gleichen Argument könnte man auch Mozarts Musik aus den Kirchen verbannen. Es ist wirklich so: ließe man die Experten aus Rom über die kenianische Liturgie entscheiden, wäre das so, als ob man den Arzt einer Intensivstation damit beauftragt, eine Fußballmannschaft der Bundesliga zu trainieren.

Ich danke Euch für Eure vielfältige Unterstützung, es sind die Samenkörner für eine bessere Zukunft für viele Menschen

Hans

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